Orientierungslauf von der Ortenburg in das Stadtzentrum

Bekanntlich erwärmt sich ein Teil der Stadtbürgerschaft in Bautzen, vor allem im Rathaus, Stadtrat und Bauwirtschaft, für das Projekt einer Spreebrücke über die Skala vom Protschenberg zur Ortenburg. Ein paar Leute, mich inklusiv, kritisieren das Vorhaben.

Ein Punkt meiner Kritik ist, dass Bautzen hier seine historische Stadtentwicklung auf den Kopf stellen möchte, indem es die Burg und die angrenzenden Teile der Altstadt zum Eingangsportal macht – Räume, von denen sich die Stadt über Jahrhunderte weg entwickelt hat.

So ein Vorhaben ist nicht trivial, zieht große Folgeaufgaben und natürlich auch Kosten nach sich, über die im Rahmen der Idee bisher ungenügend gesprochen wird. Ich habe mir einmal die Kamera genommen, um zu visualisieren, was ich meine.

Beginnen wir mit der Ankunftssituation nach Überquerung der Brücke. Im Bild der Blick, der sich beim Durchschreiten des „Spreetors“ (O-Ton Marketing) bieten wird.

Wir schauen auf das massive Hauptgebäude der Ortenburg. Zum ersten Mal ergibt sich hier eine Frage, der wir im Fortlauf immer wieder begegnen werden: „Wo ist denn hier die Stadt? Und wie komme ich zu ihr hin?“

Trete ich näher, sehe ich, dass ich links und rechts an dem Bau vorbei komme. Links sieht das so aus.

Man beachte die Breite des Gehwegs. Hier ein Nahaufnahme des Pflasters, wenn ich diesen nicht benutzen möchte.

Ist das Tor des Matthiasturms geöffnet (im Fall des Brückenbaus sicherlich komplett), öffnet sich vor mir die Schlossstraße. Die ist hübsch, hat schlimmes Pflaster und nette Kneipen. Der einzige Straßenraum der westlichen Altstadt mit etwas Weite und Wirkung.

Allerdings laufe ich an seinem Ende optisch in eine (barocke) Wand. Rechts kann ich mich um ein paar Ecken und über schmale Gehwege um den Dom rum zum Fleischmarkt drücken. Eine Blickbeziehung, die mich dazu ermuntert, besteht allerdings nicht.

Gehe ich an der Burg rechts vorbei, öffnet sich ebenfalls eine Pforte, diesmal zum Burglehn.

Am Burglehn steht ich dann vor dem eindrucksvollen Gersdorffschen Palais.

Aber auch dieses schließt den Platz optisch ab, anstatt ihn zu öffnen. Hier einmal die drei größten Straßenräume, die vom Burglehn wegführen. Wo ist die Stadt? Wie komme ich da hin?

Entscheide ich mich für den Weg rechts neben dem Palais in Richtung Wasserturm (die naheliegendste Wahl), gelange ich zur hübschen Großen Brüdergasse mit einem katastrophalen Pflaster.

Von der platzartigen Großen Brüdergasse laufe ich optisch dann endgültig in eine Sackgasse. An ihrem Ende steht ein DDR-Mietshaus-Riegel, durch den lediglich ein schmaler Durchgang zum Fleischmarkt führt.

Entscheide ich mich ab Burglehn für die enge und recht lichtlose Kurve der Straße Am Burglehn mit ihren nicht besonders einladenden schmalen Gehwegen, gelange ich in einen unruhigen Stadtraum der architektonisch wenig einladend ist.

Erst wenn ich diesen tapfer absolviert habe, bietet mir der wiederum optisch sehr enge Beginn der Heringstraße (einmal mehr die Gehwege!) die Möglichkeit, in großzügigere Bereiche der Innenstadt zu gelangen.

Mit dieser Bildserie soll noch einmal konstatiert werden, was hier geplant wird: Ein Zugang, der die Besucher*innen im wohl periphersten Teil der Altstadt ankommen lässt, um sie dann (bestenfalls ortsunkundig, weil Tourist*innen auf Erstbesuch) auf Orientierungslauf zu schicken.

Bautzen hat in seiner vielhundertjährigen Geschichte aus gutem Grund drei eindrucksvolle Straßenräume ausgeprägt, die wirklich dazu geeignet sind, Besucher ohne räumliche Streßerfahrung in sein Zentrum zu geleiten: Wendische Straße, Reichenstraße und Innere Lauenstraße.

Es ist meiner Meinung nach fehlgeleitet, die Erwartung zu wecken, die westlichen Altstadt mit ihrer stadthistorisch eigenständigen und andersläufigen Entwicklung wäre dazu in der Lage, hier auf gleichem Niveau dazu zu treten. Danke für die Aufmerksamkeit!

Warum ich kein Fan des Spreebrücken-Projektes in Bautzen bin

von Robert Lorenz

Seit einiger Zeit begeistern sich politische Entscheidungsträger der Stadt Bautzen für das Projekt einer Fußgängerbrücke, die in west-östlicher Richtung die Skala der Spree bei Bautzen von Talabhang zu Talabhang überspannen soll, um so eine fast horizontale, direkte Verbindung zwischen dem Schliebenparkplatz und der Ortenburg herzustellen. In diesem Text sollen Argumente dafür geliefert werden, wieso dieses Projekt aus meiner Sicht fallen gelassen werden sollte. Dabei werde ich meine Thesen in zwei Blöcken arrangieren. Der erste befasst sich mit Bautzen als historisch gewachsener Stadtlandschaft.

Der Entwurf der TU-Dresden, wie er in der Lokalausgabe der Sächsischen Zeitung zu sehen war. Man beachte den großen Parkplatz rechts. Und die Vogelperspektive, die verhindert, dass die Brücke vor der Stadtansicht visualisiert wird.

Bautzen als Landschaft

Städte sind vertikale Geschichtsbücher. Ihre Häuser, Straßenzüge und Plätze formieren sich zu je eigenen Stadträumen, wirtschafts- und machtgeschichtlich klassifizierbar, doch atmosphärisch immer einzigartig und nicht wiederholbar. Städte haben je eigene Ausdehnungsrichtungen. Sie folgen Flusstälern, schmiegen sich an Berghänge, in Meeresbuchten, auf Halbinseln – um die Topografie mitunter zu überwinden und in ihren Tiefen zu verbergen wenn sie Großstadt werden. Ihre Stadtpläne lassen sich lesen wie unsere Biografien. Die verwendeten Baumaterialien ihrer Häuser, Lichtfall, Windrichtungen, überhaupt das vorherrschende Klima machen jede von ihnen zu eigenständigen Konstellationen im Raum. Es gibt kaum ein größeres Vergnügen, als zu Fuß eine unbekannte Stadt zu durchwandern und nach einiger Zeit zu bemerken, wie man ein Verständnis für sie entwickelt. Es ist wie ein Gespräch mit einem Unbekannten, an dessen Ende Vertrautheit entstanden ist.
Bautzen ist eine Stadt an einer Schlucht. Ganz im Westen hat die Spree einen Mäander in den Granit des Lausitzer Gefildes gegraben, eine Skala, eingefasst von Felswänden. Auf einem dieser steinernen Umlaufberge liegt die Burg und östlich in ihrem Schatten die Burgstadt. Erst dahinter, noch weiter östlich schließt sich der eigentliche Marktflecken an, aus dem später die reiche Kaufmannsstadt werden sollte. Die alte Kaufmannsstraße zieht nördlich an diesem Burgfelsen vorbei, quert den Fluss und steigt ostwärts über die Gerberstraße aus dem Tal hinauf. Die zweite Handelsstraße aus dem späten 19. Jahrhundert überwindet die Schlucht über die massive Friedensbrücke südlich des Burgfelsens. Wo beide Straßen den Höhenzug östlich über dem Fluss erreichen, bilden sie die Pole des sich dazwischen aufspannenden Bautzener Geschäftsviertels. Seine Außengrenze bilden der Straßenring Goschwitzstraße – Postplatz – Kurt-Pchalek-Straße – Steinstraße – Holzmarkt – Töpferstraße – Wendische Straße – Fleischmarkt – Innere und Äußere Lauenstraße. Sein Herz schlägt am Lauengraben, wo die Friedensbrücke einmündet, mit starken Arterien am Kornmarkt, in der Reichenstraße und der Karl-Marx-Straße. Von diesem Geschäftsviertel aus ist Bautzen vor allem nach Süden zum Bahnhof und über ihn hinaus und nach Osten zu den einstigen Garnisonen hin gewachsen – und in kleinerem Umfang auch nach Norden (den Gesundbrunnen als sozialistische Stadterweiterung einmal außen vor). Westlich der Schlucht jedoch hat erst die Friedensbrücke im frühen 20. Jahrhundert eine kleine und bis heute etwas zaghaft wirkende Stadterweiterung ermöglicht. Doch kann sie nicht darüber hinwegtäuschen, das Bautzen noch heute eigentlich erst östlich der Felsschlucht beginnt. Von der breiten Brücke aus fällt bei der Fahrt hinüber der Blick dann eindrucksvoll auf die stadtgewordene, steinerne Flussschleife über der Spree mit ihren Zinnen, Dächern und Türmen. Doch dieser Teil der Altstadt war nie ihr Zentrum. Er war ein Zwischenraum zwischen Burg und Kaufmannsstadt, gehörte in Teilen im Burglehn nicht einmal zum Rathaus. Bautzen kehrt dieser Burgstadt den Rücken zu, einzig der Domturm ragt über sie hinweg in Richtung Burg. Nur die Schlossstraße versucht räumlich wie optisch eine Vermittlung zwischen Burg und Stadt, muss sich aber schon nach wenigen Metern um Ecken und durch Winkel am Dom vorbei winden, um irgendwie doch noch den Fleischmarkt mit dem Rathaus zu erreichen. Die westliche Altstadt zwischen Burgmauer und Marktplatz auf dem Umlaufberg über der Spree liegt seit Jahrhunderten in weiten Teilen sehr malerisch im Off. Nachvollziehbar, hier fiel der Schatten des Landesherrn auf die Dachfirste, da wuchs man als selbstbewusstes bürgerliches Gemeinwesen mit seiner Handelsinfrastruktur lieber weg von Schlucht und Fels und Burg nach Osten, wo Platz war. Und erst recht war kein Grund vorhanden, die Höhen westlich der Schlucht, hinter der Burg zu bebauen. Bis heute reicht hier der Acker bis an den Abhang der Spree.

2009 eröffnete am Rand dieses Ackers der Schliebenparkplatz. Pendler parken hier, der Fernbus und Touristen. Zu Fuß ist man über die Friedensbrücke in fünfzehn Minuten am Lauengraben, das eindrucksvolle Panorama der Burgstadt auf ihrem Felsen inklusive. Auch hinunter zur Spree an den Fuß der mächtig aus dem Fels emporwachsenden Alten Wasserkunst sind es kaum zehn Minuten.
Dies alles umgehend soll nun von diesem Acker aus der neue Stadtzugang hinübergespannt werden, auf der anderen Seite die Burgmauer durchbrechen, die Stadt quasi von hinten entgegen ihrer jahrhundertealten Wachstumsrichtung vom Ende her aufrollen. Eine Brücke als Event. Es werden zwar von ihren Befürwortern Gründe angeführt, die ihre Errichtung auch für die Stadtentwicklung plausibel machen sollen. Doch so recht verfangen können sie bei mir nicht. Welchen Grund soll eine Stadt haben, ihre Gäste nicht im Zentrum zu empfangen (das angesichts zunehmenden Leerstands jeden einzelnen Besucher braucht), sondern sie am Stadtrand abzufangen und erst einmal zu Fuß durch die Peripherie zu schicken? Über Jahrhunderte hinweg hat Bautzen alle Kraft darauf verwendet, sein städtisches Gemeinwesen glanzvoll von der Burg wegzudrehen und seine Gäste und Kundschaft in seine breiten Handelsstraßen zu lenken. Nun sollen die Besucher erst einmal das komplette, beinahe gänzlich geschäftsfreie Kleinstadtambiente und Gassengewirr der Burgstadt durchqueren, bevor sie die baulichen Räume der freien Stadtluft erreichen. Ausgerechnet die Ortenburg (und noch dazu ihre Kehrseite) soll das Entree Bautzens bilden, die – seien wir ehrlich – als Burganlage vom Burghof aus betrachtet ziemlich unspektakulär ist und die die stolzen Stadtväter aus der Hochzeit des Sechsstädtebundes wohl am liebsten geschliffen hätten. Als Tourist würde ich mich fragen, was die Bautzener eigentlich von mir wollen und wo ihre Stadt ist. Einzig das Sorbische Museum hätte wohl Grund zur Freude. Immerhin. Runter von der Autobahn, kostenloser Parkplatz in Sichtweite der Abfahrt, schweißbefreit (außer bei Höhenangst oder dem im Spreetal typischen starken Wind von den Bergen her) kurz hinüber in die Burg, sorbische Kultur anschauen und vielleicht ein bisschen in die Kneipen der Schlossstraße. Ein Rathaus, der Reichenturm? Die berühmten Stadtpanoramen von Norden und Süden? Wo sollen die sein? Wie komme ich da hin? Zurück zum Auto und wieder auf die Autobahn weiter nach Görlitz. Deswegen muss am Schliebenparkplatz wohl auch gleich ein Infozentrum mit geplant werden, wo bei einem stadthistorisch gewachsenen und daher wirtschaftlich begründeten Stadtzugang schlicht der gebaute Stadtkörper die Wegeleitung ins Zentrum übernimmt und dabei dem Gast seine Schauseiten zuwendet. Und ob die Zahl der Bewohner des Burgfelsens, die künftig ihr Auto jenseits der Schlucht parken, um dann ihr Gepäck erst durch Wind und Wetter und dann über Stock und Stein zu Fuß nach Hause zu tragen, diesem Bauwerk wirtschaftliche Plausibilität verleiht, erscheint mir recht fraglich. Was bleibt, sind neben einigen Angestellten des Gerichts die Besucher des Eierschiebens am Protschenberg und des Sommertheaters im Burghof. Womit der Kreis sich schließt und wir wieder beim Event sind. Was werden sich wohl künftige Generationen über unsere Entscheidung denken, vor dem westlichen Stadtpanorama einen großen Parkplatz anzulegen und mitten in dieses Panorama einen Stadtzugang hineinzuhängen, wo keiner ihn benötigt oder vermisst? Heute denke ich jedenfalls, dass wir hiermit nur unsere Ideenlosigkeit dokumentieren. Uns fällt zu Bautzen anscheinend nichts Besseres ein, als es architektonisch zu eventisieren. Ausgerechnet an seiner Schauseite, die so eine Geste gar nicht nötig hat. Wir hängen eine architektonisch banale Fußgängerbrücke über diese majestätische Schlucht und demolieren mit ihr zugleich noch den jahrhundertealten baulichen Charakter Bautzens als Festung. Und all das für die bessere fußläufige Anbindung eines überdimensionierten Parkplatzes.

Bautzens schönster Blick. Sie fragen sich, warum es bisher für die Öffentlichkeit nirgends eine Visualisierung der geplanten Brücke von diesem berühmten Standort am Protschenberg aus zu sehen gab? Das frage ich mich auch.

Mit dem Panorama bin ich bei Punkt 2 angelangt.

Bautzen in der Landschaft

Bautzens westlicher Stadtrand. Die tiefe Schlucht, in sie geduckt die kleine Häuserzeile Unterm Schloss. Der durch den Fels rauschende Fluss, das Grün der Bäume, die den Abhang hinauf zum Feldrand klettern, wo sie plötzlich in Wind und Weite stehen. Drüben die mächtigen Bollwerke der Burg und die über sie hinweg ragenden Türme der Händlerstadt. Durch die Schlucht steigen Treppen heimlich hinauf und hinab, von denen sich immer wieder neue Ausblicke bieten. Eine einzigartige Szenerie.
Der Blick vom Protschenberg ist nicht einfach nur Bautzens schönstes Postkartenmotiv. Er ist ein Seelenort dieser Stadt. Zittau hat mit dem nahen Kranz der Berge die wohl schönste oberlausitzer Lage in der Landschaft, Görlitz mit den Hallenhäusern, seinen Kirchen und der mondänen Gründerzeit die eindrucksvollste Architektur – doch Bautzen hat seine Schlucht und seine Mauern und Zinnen über ihr. Der tiefe Abgrund und über ihm die wehrhafte, zunächst unzugänglich wirkende Stadt. Dieser einmalige Blick hat Künstler wie Jan Buk, Marianne Britze, Kito Lorenc und Rudolf Warnecke zu zentralen Werken ihrer Künstlerkarrieren inspiriert, die ihre Prägnanz genau aus der dramatischen Spannung dieses Ortes ziehen und in denen sie Bautzens Stadtcharakter befragen und bis in seine historische Tiefe hinein ausloten.
Vollständig wird die Besonderheit dieses Ortes aber erst durch einen zweiten Aspekt charakterisiert – das Aufeinandertreffen von mittelalterlicher Stadtgrenze und offener Landschaft, von Stadt und Nicht-Stadt. Hinter dem Protschenberg und gegenüber der Burg liegt – ein Feld. Keine gründerzeitliche Stadterweiterung, keine Neubaublocks, keine Stadtrandzone aus Autohäusern, Tankstellen, Super- und Baumärkten. Keine sich in die Wiesen ergießenden Eigenheime mit Carportlandschaften. Ein Friedhof. Eine Feldsteinmauer mit einer kleinen Kapelle. Ein paar einzelne, schön gewachsene Bäume. Und ein Feld.
Das ist schön. Und es ist unter den Stadtlandschaften Europas sehr selten. Mir fällt Salzburg mit dem Mönchsberg ein, von dessen Höhe man die stolzen Kirchtürme der Stadt beinahe greifen kann. Freiburg, wo man fünf Minuten hinter der Altstadt im Schwarzwald steht. Venedig, wo der Markusplatz auf einer Seite von der Adria eingefasst wird. Der Strahov in Prag. Die Flusswiesen der Elbe vor dem Altstadtpanorama Dresdens.
Man sollte sich als Stadtwesen über solch einen seltenen Ort freuen und ihn schützen. Und wenn man ihn der Bebauung übereignet, dann, weil die Notwendigkeit groß ist und die Idee für diese Bebauung sehr gut. Beides trifft auf den Bautzener Fall nicht zu. Vielmehr soll das Feld und die offene Landschaft hier der wohl größten Banalität weichen, die sich denken lässt – einer Parkplatzerweiterung. Die einzigartige westliche Stadtansicht – ergänzt um einen Großparkplatz im Vordergrund. Selbst wenn man hier mit der Begrünung klug arbeitet, bleibt am Ende eine weitere Blechwüstenei, die man sich an Bautzens östlichen Stadträndern in den Gewerbegebieten in aller Ruhe betrachten kann.

Bautzen von Westen. Rechts wird es mit dem stahlgrauen Gewerbegebäude bereits fragwürdig. Künftig leuchten dann daran anschließend, dort wo jetzt noch grüne Wiese schimmert, bis auf die Höhe des mittleren Schlossgiebels die Autodächer in der Sonne.

Ich hoffe wirklich sehr, dass uns allen noch etwas Besseres für unsere schöne Stadt einfällt.

(Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf https://brotlos.weebly.com am 18.10.2017)

Kritische Anmerkungen zum Gespräch der SZ-Lokalredaktion mit Jan Kubasch

Einige kritische Anmerkungen zum Gespräch der SZ-Lokalredaktion Bautzen zum Spreebrückenprojekt mit dem Vorsitzenden des Bautzener Innenstadtvereins Jan Kubasch vom 29.12.2017.

von Robert Lorenz

Wir dürfen die Spreebrücke nicht kaputt reden.

Diese Artikelüberschrift ist merkwürdig. Wenn man die Spreebrücke „kaputt reden“ kann – was wohl bedeuten soll, dass sie kritisierbar und durch Argumente hinterfragbar ist – dann gibt es offensichtlich valide Kritikpunkte an dem Bauwerk. Wieso sollen diese nicht geäußert werden dürfen? Weil die Brücke dieser Kritik nicht standhalten kann? Dann ist es umso berechtigter, sie zu äußern.

Dass die Brücke ein Schandfleck wird, glaube ich nicht. Wenn ich mir die ersten Entwürfe ansehe, dann finde ich nicht, dass irgendein Blick weg ist.

Bisher wurde der Öffentlichkeit keine Visualisierung des Blickes vom Protschenberg auf die geplante Brücke präsentiert. Auch in der Präsentation des studentischen Projekts der TU vor dem Stadtrat war eine solche Visualisierung nicht enthalten. Herr Kubasch kann also zu den Bedenken hinsichtlich des Protschenberg-Blicks gar keine qualifizierte Aussage treffen.

Mal ehrlich, Bautzen wäre doch nicht Bautzen, hätte sich die Stadt nicht im Laufe der Zeit ständig verändert. Wir müssen keine Angst vor Neuem haben. Spätestens in zehn Jahren haben sich alle an die Brücke gewöhnt.

Kritik an der Spreebrücke ist nicht gleichzusetzen mit der pauschalen Verweigerung gegenüber jeglicher Veränderung am Bautzener Stadtbild. Würden die Worte von Herrn Kubasch stimmen, spräche auch nichts dagegen, dass das „Haus der Mode“ heute noch stünde.

Wenn durch die neue Attraktion mehr Besucher in die Stadt kommen, hilft uns Händlern das sehr. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass kleine Läden in Bautzen ums Überleben kämpfen. Ohne die Touristen hätten sie es noch viel schwerer.

Es ist vor Eröffnung der Brücke nicht belegbar, dass sie zu einem Besucheranstieg in Bautzen führen wird. Hinzu kommt, dass Gäste, die vom Schliebenparkplatz aus Bautzen erkunden, bis ins Geschäftszentrum der Stadt einen weiteren Weg werden zurücklegen müssen als heute. Wieso soll dadurch der Einkaufstourismus in Bautzen gestärkt werden?

Außerdem nützen uns die schönsten Schulen und Kitas nichts, wenn irgendwann keiner mehr in der Stadt leben möchte, sie nicht mehr lebendig ist.

An dieser Stelle im Interview beginnt Herr Kubasch damit, an den Bau der Brücke mit ihr nicht im Zusammenhang stehende Heilsversprechen für die Stadtgesellschaft zu knüpfen. Hier werden keine Argumente mehr vorgebracht sondern Wünsche geäußert.

Aber wenn die Touristen bald nur noch an Bautzen vorbei nach Dresden oder Görlitz fahren, wenn vielleicht mehr und mehr die Läden in der Innenstadt schließen müssen, dann ist uns doch allen nicht geholfen. Man muss auch an das Parkplatzproblem in Bautzen denken. Die ganze Stadt stöhnt, weil Stellflächen fehlen. Mit dem Bau der Brücke soll bekanntlich auch der Parkplatz an der Schliebenstraße erweitert werden. Da entstehen im großen Rahmen Stellflächen und vielleicht auch Parkbuchten für Busse.

Wieso soll die Brücke die Leute dazu bewegen, in Bautzen zu stoppen? Ist die Stadt ohne sie nicht mehr interessant genug?

Noch einmal: In welcher Art und Weise hilft ein am westlichen Stadtrand gelegener kostenloser Großparkplatz in Sichtweite der Autobahnabfahrt dem Innenstadthandel?

Welchen unter Bautzens Parkplatzmangel in der Innenstadt leidenden PKW-Nutzern wird in ihrem Alltag durch einen erweiterten Schliebenparkplatz geholfen? Im Parkhaus am Theater, das zentrumsnäher gelegen ist, stehen bereits heute regelmäßig viele Parkbuchten leer. Wie viele der Einwohner des Burgfelsens sind tatsächlich bereit, ihren PKW hier draußen abzustellen, um dann zu Fuß bei Wind und Wetter über die Hängebrücke zu laufen?

Die Bautzen ansteuernden Touristik-Busse bieten als festen und von den Gästen auch nachgefragten Teil ihres Pakets den Blick von der Friedensbrücke auf die Altstadt an. Sie laden ihre Passagiere seit vielen Jahren völlig problemfrei gegenüber dem Best Western Hotel ab, wo es dafür eigens geschaffene Parkbuchten gibt. Will die Stadtverwaltung dieses eingespielte und gut funktionierende Prozedere verändern? Warum?

Wenn die neue Brücke aber bei den Touristen bekannt ist, wenn dort vielleicht auch steht, dass man in zwei Minuten zu Fuß bequem die Altstadt erreichen kann, dann würde mir die Entscheidung leichtfallen. […] Und einen schönen Weg ins Zentrum gibt es auch nicht.

Was versteht Herr Kubasch unter „Altstadt“? In zwei Minuten wird man von dem neuen, vergrößerten Parkplatz über die Brücke im allerbesten Fall den Hof der Ortenburg erreichen können – und dies nur im Dauerlauf.

Vom jetzigen Schliebenparkplatz aus gibt es drei wunderschöne, unter den deutschen Stadtlandschaften teils ihresgleichen suchende Wege ins Zentrum: Die Stufen an der Skala hinab zur Scharfenstegbrücke – Den Pfad über die Felsen des Protschenbergs hinab zur kleinen Fußgängerbrücke Unterm Schloss – Die Stufen vom Protschenberg hinab in die Seidau und weiter zur Hammermühle.

Jeder, der sich davon überzeugen will, muss doch nur einmal morgens oder nachmittags über die Friedensbrücke laufen. Man geht an einer viel befahrenen Straße vorbei, teilweise stehen die Autos dort Schlange. Dabei möchte man als Tourist in einer ruhigen Atmosphäre in die fremde Stadt gelangen. Mit der neuen Brücke komme ich als Besucher an, genieße gleich einen tollen Blick auf die Stadtkulisse und laufe gemütlich in die Altstadt.

Herr Kubasch erklärt hier die beiden engen Zeitfenster der Ankunft und Abfahrt der nach Bautzen einpendelnden Angestellten zum Allgemeinzustand auf der Friedensbrücke. Wie groß ist die Zahl der Touristen, die wochentags früh zwischen 7:30 bis 8:30 Uhr und nachmittags zwischen 16:15 bis 17:00 Uhr diesen Weg wählen?

Von der neuen Spreebrücke aus wird sich kein besonders aufregender Blick auf Bautzens Stadtpanorama bieten, da ab der Hälfte des Weges über die Schlucht die Mauern und Bastionen der Burg jede Aussicht begrenzen werden. Den „tollen Blick auf die Stadtkulisse“ kann man bereits heute vom Schliebenparkplatz aus bequem und ganz ohne neuen Brückenbau erreichen. 300m nach links ist dies der einmalige Blick vom Protschenberg (künftige durch eine Brücke beeinträchtigt). Und 10 Gehminuten nach rechts ist es der einmalige Blick von der Friedensbrücke.