Einige kritische Anmerkungen zum Gespräch der SZ-Lokalredaktion Bautzen zum Spreebrückenprojekt mit dem Vorsitzenden des Bautzener Innenstadtvereins Jan Kubasch vom 29.12.2017.
von Robert Lorenz
Wir dürfen die Spreebrücke nicht kaputt reden.
Diese Artikelüberschrift ist merkwürdig. Wenn man die Spreebrücke „kaputt reden“ kann – was wohl bedeuten soll, dass sie kritisierbar und durch Argumente hinterfragbar ist – dann gibt es offensichtlich valide Kritikpunkte an dem Bauwerk. Wieso sollen diese nicht geäußert werden dürfen? Weil die Brücke dieser Kritik nicht standhalten kann? Dann ist es umso berechtigter, sie zu äußern.
Dass die Brücke ein Schandfleck wird, glaube ich nicht. Wenn ich mir die ersten Entwürfe ansehe, dann finde ich nicht, dass irgendein Blick weg ist.
Bisher wurde der Öffentlichkeit keine Visualisierung des Blickes vom Protschenberg auf die geplante Brücke präsentiert. Auch in der Präsentation des studentischen Projekts der TU vor dem Stadtrat war eine solche Visualisierung nicht enthalten. Herr Kubasch kann also zu den Bedenken hinsichtlich des Protschenberg-Blicks gar keine qualifizierte Aussage treffen.
Mal ehrlich, Bautzen wäre doch nicht Bautzen, hätte sich die Stadt nicht im Laufe der Zeit ständig verändert. Wir müssen keine Angst vor Neuem haben. Spätestens in zehn Jahren haben sich alle an die Brücke gewöhnt.
Kritik an der Spreebrücke ist nicht gleichzusetzen mit der pauschalen Verweigerung gegenüber jeglicher Veränderung am Bautzener Stadtbild. Würden die Worte von Herrn Kubasch stimmen, spräche auch nichts dagegen, dass das „Haus der Mode“ heute noch stünde.
Wenn durch die neue Attraktion mehr Besucher in die Stadt kommen, hilft uns Händlern das sehr. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass kleine Läden in Bautzen ums Überleben kämpfen. Ohne die Touristen hätten sie es noch viel schwerer.
Es ist vor Eröffnung der Brücke nicht belegbar, dass sie zu einem Besucheranstieg in Bautzen führen wird. Hinzu kommt, dass Gäste, die vom Schliebenparkplatz aus Bautzen erkunden, bis ins Geschäftszentrum der Stadt einen weiteren Weg werden zurücklegen müssen als heute. Wieso soll dadurch der Einkaufstourismus in Bautzen gestärkt werden?
Außerdem nützen uns die schönsten Schulen und Kitas nichts, wenn irgendwann keiner mehr in der Stadt leben möchte, sie nicht mehr lebendig ist.
An dieser Stelle im Interview beginnt Herr Kubasch damit, an den Bau der Brücke mit ihr nicht im Zusammenhang stehende Heilsversprechen für die Stadtgesellschaft zu knüpfen. Hier werden keine Argumente mehr vorgebracht sondern Wünsche geäußert.
Aber wenn die Touristen bald nur noch an Bautzen vorbei nach Dresden oder Görlitz fahren, wenn vielleicht mehr und mehr die Läden in der Innenstadt schließen müssen, dann ist uns doch allen nicht geholfen. Man muss auch an das Parkplatzproblem in Bautzen denken. Die ganze Stadt stöhnt, weil Stellflächen fehlen. Mit dem Bau der Brücke soll bekanntlich auch der Parkplatz an der Schliebenstraße erweitert werden. Da entstehen im großen Rahmen Stellflächen und vielleicht auch Parkbuchten für Busse.
Wieso soll die Brücke die Leute dazu bewegen, in Bautzen zu stoppen? Ist die Stadt ohne sie nicht mehr interessant genug?
Noch einmal: In welcher Art und Weise hilft ein am westlichen Stadtrand gelegener kostenloser Großparkplatz in Sichtweite der Autobahnabfahrt dem Innenstadthandel?
Welchen unter Bautzens Parkplatzmangel in der Innenstadt leidenden PKW-Nutzern wird in ihrem Alltag durch einen erweiterten Schliebenparkplatz geholfen? Im Parkhaus am Theater, das zentrumsnäher gelegen ist, stehen bereits heute regelmäßig viele Parkbuchten leer. Wie viele der Einwohner des Burgfelsens sind tatsächlich bereit, ihren PKW hier draußen abzustellen, um dann zu Fuß bei Wind und Wetter über die Hängebrücke zu laufen?
Die Bautzen ansteuernden Touristik-Busse bieten als festen und von den Gästen auch nachgefragten Teil ihres Pakets den Blick von der Friedensbrücke auf die Altstadt an. Sie laden ihre Passagiere seit vielen Jahren völlig problemfrei gegenüber dem Best Western Hotel ab, wo es dafür eigens geschaffene Parkbuchten gibt. Will die Stadtverwaltung dieses eingespielte und gut funktionierende Prozedere verändern? Warum?
Wenn die neue Brücke aber bei den Touristen bekannt ist, wenn dort vielleicht auch steht, dass man in zwei Minuten zu Fuß bequem die Altstadt erreichen kann, dann würde mir die Entscheidung leichtfallen. […] Und einen schönen Weg ins Zentrum gibt es auch nicht.
Was versteht Herr Kubasch unter „Altstadt“? In zwei Minuten wird man von dem neuen, vergrößerten Parkplatz über die Brücke im allerbesten Fall den Hof der Ortenburg erreichen können – und dies nur im Dauerlauf.
Vom jetzigen Schliebenparkplatz aus gibt es drei wunderschöne, unter den deutschen Stadtlandschaften teils ihresgleichen suchende Wege ins Zentrum: Die Stufen an der Skala hinab zur Scharfenstegbrücke – Den Pfad über die Felsen des Protschenbergs hinab zur kleinen Fußgängerbrücke Unterm Schloss – Die Stufen vom Protschenberg hinab in die Seidau und weiter zur Hammermühle.
Jeder, der sich davon überzeugen will, muss doch nur einmal morgens oder nachmittags über die Friedensbrücke laufen. Man geht an einer viel befahrenen Straße vorbei, teilweise stehen die Autos dort Schlange. Dabei möchte man als Tourist in einer ruhigen Atmosphäre in die fremde Stadt gelangen. Mit der neuen Brücke komme ich als Besucher an, genieße gleich einen tollen Blick auf die Stadtkulisse und laufe gemütlich in die Altstadt.
Herr Kubasch erklärt hier die beiden engen Zeitfenster der Ankunft und Abfahrt der nach Bautzen einpendelnden Angestellten zum Allgemeinzustand auf der Friedensbrücke. Wie groß ist die Zahl der Touristen, die wochentags früh zwischen 7:30 bis 8:30 Uhr und nachmittags zwischen 16:15 bis 17:00 Uhr diesen Weg wählen?
Von der neuen Spreebrücke aus wird sich kein besonders aufregender Blick auf Bautzens Stadtpanorama bieten, da ab der Hälfte des Weges über die Schlucht die Mauern und Bastionen der Burg jede Aussicht begrenzen werden. Den „tollen Blick auf die Stadtkulisse“ kann man bereits heute vom Schliebenparkplatz aus bequem und ganz ohne neuen Brückenbau erreichen. 300m nach links ist dies der einmalige Blick vom Protschenberg (künftige durch eine Brücke beeinträchtigt). Und 10 Gehminuten nach rechts ist es der einmalige Blick von der Friedensbrücke.