Kritische Grundthesen zur Spreebrücke

Allgemeines

1. Die unverbauten Acker- und Wiesenflächen auf dem Protschenberg, die als Flächennaturdenkmal geschützten Bereiche des Protschenbergs, die Ansichten der Altstadt vom Protschenberg und von der Friedensbrücke aus sowie die Mauer der Ortenburg bilden wertvolle Kulturgüter. Sie bedürfen eines äußerst sorgsamen Umgangs und sind für kommende Generation zu bewahren.
2. Bauliche Eingriffe an diesen sensiblen Orten können nicht mit herkömmlichen infrastrukturellen Baumaßnahmen gleichgesetzt werden, sondern erfordern ein außerordentliches Maß an Rücksichtnahme auf die vorhandene, historisch gewachsene Bausubstanz.
3. Die derzeit angedachten baulichen Eingriffe an den zuvor genannten Orten sind unangemessen, da die zu erwartenden Schäden den erhofften Nutzen übersteigen.
4. Es ist grundsätzlich zu bezweifeln, dass ein zentraler Großparkplatz sowie die geplante Fußgängerbrücke zeitgemäße und passgenaue städtebauliche Instrumente für eine zukunftsorientierte Aufwertung Bautzens sind.

Bürgerbeteiligung

5. Aufgrund des hohen öffentlichen Interesses an der geplanten Brücke sowie am Großparkplatz Schliebenstraße ist seitens der Bautzener Stadtverwaltung ein umfassender Prozess der Bürgerbeteiligung einzuleiten und geeignete Formen des Meinungsaustauschs zu schaffen.
6. Durch Bürgerbeteiligung ist zunächst grundsätzlich zu klären, ob es in der Bautzener Einwohnerschaft eine Mehrheit für den vergrößerten Parkplatz am vorgeschlagenen Standort sowie die geplante Fußgängerbrücke gibt.
7. Geeignete Formen für eine breite Bürgerbeteiligung und Meinungsbildung sollte die Stadtverwaltung umgehend und nicht erst nach Abschluss der gegenwärtig entstehenden Machbarkeitsstudie schaffen.

Brücke

8. Die geplante Brücke wird schwere Schäden an geschützten Bau-, Boden- und Naturdenkmalen verursachen und ist daher mit dem Denkmalschutz und dem Naturschutz nicht zu vereinbaren.
9. Die geplante Brücke wird schwere Schäden am einmaligen, international bekannten Bautzener Stadtbild verursachen, weswegen ihr kein positiver Effekt auf Tourismus und Stadtmarketing zugesprochen werden kann.
10. Die geplante Brücke soll nicht aus einer objektiven Notwendigkeit heraus errichtet werden, sondern als ein abstraktes Symbol für „Veränderung“ und „Zukunftsgestaltung“, was die aus dem Projekt resultierenden Schäden an geschützen Bau- und Naturdenkmalen jedoch nicht rechtfertigt.
11. Durch die geplante Fußgängerbrücke würde die seit Jahrhunderten bestehende Bautzener Stadtstruktur auf den Kopf gestellt. Vor allem die westliche Altstadt ist für die sich hieraus ergebenden Folgen derzeit nicht gerüstet. Die bisherigen Wegebeziehungen von der Ortenburg zum Hauptmarkt sind für ein höheres Fußgängeraufkommen ungenügend (schlechte räumliche Orientierung, zu schmale Gehwege, nicht fußgänger-, alten-, rollstuhl- und fahrradgerechtes Straßenpflaster, Behinderung durch PKW-Verkehr).
12. Die geplante Brücke ermöglicht keinen barrierefreien Zugang zur Stadt, da Menschen mit Akrophobie (Höhenangst), eine Angststörung von der rund 20 % der europäischen Bevölkerung betroffen sind, sie nicht benutzen können. Auch wird ihre Nutzung witterungsbedingten Einschränkungen unterliegen. Um für die auf der Ortenburg ansässigen Institutionen des Oberlandesgerichts, des Sorbischen Museums und des Burgtheaters von Nutzen zu sein, müsste die Brücke wetterunabhängig ganzjährig gefahrlos begehbar sein. Kindergruppen, die das Burgtheater besuchen, werden auf der Brücke weiterhin einer Betreuung durch Sicherheitspersonal bedürfen. Auch stellt sich die Frage, ob und wie die Nutzbarkeit der Brücke während des mehrwöchigen Sommertheaters gewährleistet wäre, da der Hof der Ortenburg während der Vorstellungen und nachts zur Sicherung des technischen Equipments verschlossen wird.
13. Ein Vergleich der geplanten Brücke mit der Friedensbrücke ist unzulässig, da die Unterschiede zwischen beiden Bauwerken deutlich überwiegen. Die Friedensbrücke entstand als unumgängliche moderne Verkehrslösung, die den Anschluss der Stadt an das nationale und internationale Fernstraßennetz verbesserte. Die geplante Fußgängerbrücke hingegen dient primär der Anbindung eines Großparkplatzes. Die Friedensbrücke konnte städtebaulich sinnvoll in das gewachsene Bautzener Straßennetz eingebunden werden und für ihre Errichtung wurden – im Gegensatz zur geplanten Fußgängerbücke – keine einzigartigen Bau- und Naturdenkmäler beschädigt. Mit dem Ausblick von der Friedensbrücke auf die Altstadt erhielt Bautzen einen zentralen Erlebnisort. Mit der geplanten Fußgängerbrücke werden die zentralen Aussichten auf die Altstadt und damit das Erlebnis der historischen Stadt nachhaltig beschädigt.

Parkplatz Schliebenstraße

14. Es ist grundsätzlich zu fragen, ob ein wesentlich vergrößerter Schliebenplarkplatz und eine daraus resultierende Zentralisierung des ruhenden Verkehrs das passende städtebauliche Instrument zur Verbesserung der Verkehrsproblematik in der Bautzener Altstadt ist.
15. Das derzeitige Parkplatzproblem in Bautzen resultiert nur teilweise und saisonal stark schwankend aus einem touristischen Individualverkehr, in weitaus größerem Maße jedoch aus dem werktäglichen Pendlerverkehr. Für diesen stellt der Großparkplatz aufgrund seiner stark auf die westliche Altstadt fokussierten Anbindung jedoch nur ein bedingt attraktives Angebot dar.
16. Mit Blick auf eine weitere Dezentralisierung des ruhenden Verkehrs in Bautzen wäre es sinnvoller, die Suche nach alternativen Standorten für mehrere zusätzliche kleinere Parkplätze fortzuführen (z. B. Krone-Areal oder Perfekta-Brache am Bahnhof), die das bisherige, ebenfalls noch nicht ausgelastete, innerstädtische Parkhaussystem (Parkhaus am Krankenhaus, Am Theater, Auf dem Kornmarktcenter) ergänzen.
17. Die eigentlich angezeigte bessere Verknüpfung des Individual- und Pendlerverkehrs in Bautzen mit dem ÖPNV am Busbahnhof und die Stärkung des (auch touristischen) Anreisemittels Zug wird durch den Schliebenparkplatz völlig negiert.

Tourismus / Innenstadthandel

18. Die Spreebrücke wird künftig eine Doppelung der bisher durch die Stadt angebotenen touristischen Infrastruktur notwendig machen, da neben dem Sammelpunkt am Best Western Hotel/Reichenturm künftig der
Schliebenparkplatz bzw. der Hof der Ortenburg hinzukommen würden.
19. Die Erweiterung des Schliebenparkplatzes für touristische Zwecke konterkariert
wichtige Zukunftsaufgaben des sich an Touristen richtenden Bautzener Stadtmarketings. Weder durch den vergrößerten Parkplatz noch durch die geplante Brücke lässt sich die Aufenthaltsdauer von mit dem PKW anreisenden Tagesgästen erhöhen, weswegen sie nicht als ein Mittel des touristischen Marketings gelten kann.
20. Die Hoffnung, dass die geplante Brücke und der Großparkplatz einen positiven Effekt für den Innenstadthandel entfalten, ist trügerisch. Denn durch den veränderten Stadtzugang werden Touristen auf ihrem Weg zu den Hauptsehenswürdigkeiten nicht mehr in die Nähe der traditionellen Einkaufsstraßen geführt. Vor allem für den Einzelhandel und die Gastronomie in den Bereichen des Handelsrings an Goschwitz-, Karl-Marx-, Kurt-Pchalek- und Steinstraße, ist mit einem Rückgang des touristischen Laufpublikums und daher mit negativen wirtschaftlichen Folgen zu rechnen.
21. Eine Verlagerung der Reisebusparkplätze vom Wendischen Graben zum Schliebenparkplatz ist sowohl für das Best Western Hotel als auch für den Innenstadthandel abträglich. Hinzu kommt, dass der Friedensbrücken-Blick auf der An- und Abreise fester, durch die Reisenden nachgefragter Bestandteil der Angebotspakete ist.